Die Fleischreifung, auch Fleischsäuerung, beschreibt eine Reihe komplexer enzymatischer Prozesse nach Todeseintritt, die das Fleisch zart, saftig und aromatisch machen.
Dabei lässt sich die Fleischreifung im Wesentlichen in zwei Phasen, die Glykolyse und die Autolyse unterteilen. Während es bei der Glykolyse zunächst um den Abbau von Kohlehydratreserven im Muskelgewebe geht, beschreibt die Autolyse die daran anschließende Selbstzersetzung des Gewebes. Selbst, weil sie primär chemisch durch körpereigene Enzyme ausgelöst und bestimmt wird. Mikroorganismen sind an diesem Prozess nur sekundär als Umwelteinfluss beteiligt.
Die zur ersten Phase, der Glykolyse, benötigte Energie wird aus dem im Muskel vorhandenen Adenosintriphosphat (ATP) gewonnen. Es entsteht Pyruvat, dass durch Milchsäuregärung abgebaut wird und den pH-Wert in der Muskulatur absinken lässt (Fleischsäuerung). Das durch Phosphorylierung zu Adenosindiphospat (ADP) und Adenosinmonophosphat (AMP) abgereicherte ATP kann bei fehlender Energie nicht mehr zu einer dreigliedrigen Adenosinphosphatkette aufgebaut werden, Calciumionen können nicht mehr in die längs der Myofibrillen verlaufenden Kanäle gepumpt werden, und Myosin bindet sich an die Aktinfilamente – der Muskel wird unbeweglich (Totenstarre). Dieser Prozess kann mehrere Stunden andauern, ehe der Körper vollständig erstarrt ist. Danach beginnt der pH-Wert im Gewebe allmählich wieder zu steigen, die Glykolyse ist abgeschlossen.
Für die zweite Phase, die Autolyse, ist das darauf folgende Schwinden der Totenstarre kennzeichnend. Durch enzymatische Selbstzersetzung wird die o. g. Bindung immer weiter aufgelockert, so dass die die Starre auslösenden Mechanismen nicht mehr greifen. Chemisch freigesetztes Wasser wird nun als Fleischsaft in den Fasern gebunden. Eine kritische Phase der Fleischreifung, weil Mikroorganismen nun von den Fleischoberflächen entlang der Bindegewebszüge bis in die Tiefe vordringen können, um bei optimalen Lebens- und Vermehrungsbedingungen dort an den Zersetzungprozessen mitzuwirken – und die Fleischreifung zunehmend in Verderb und Fäulnis übergehen lassen. Die vollständige Auflösung der Totenstarre zu Beginn der Autolyse nimmt, abhängig von verschiedenen Faktoren (Wildart, Alter, Geschlecht, physiologischer und gesundheitlicher Zustand vor Todeseintritt, Körpermasse, Lagerungsbedingungen, Umgebungstemperaturen etc.) etwa vier Tage in Anspruch – der früheste Zeitpunkt, zu dem die Fleischreifung beim Schalenwild als abgeschlossen betrachtet werden kann. Bei Klein- und Federwild (geringe Körpermasse) fallen deutlich kürzere Reifezeiten an – oft sind zwei bis drei Tage ausreichend, wobei die Kühltemperaturen 3° Celsius möglichst nicht übersteigen sollten.
Da die Zersetzungsprozesse naturgemäß weiter fortschreiten, wird in der Literatur abhängig von den o. a. Faktoren empfohlen, Wild über die genannten Zeitpunkte hinaus weiter reifen zu lassen. Bei Schalenwildarten, insbesondere bei älteren, männlichen und schwereren Stücken auf bis zu 14 bis 20 Tage, weil durch die große Masse dichter Muskultaur erst nach längerer Zeit die gewünschte Zartheit, Saftigkeit und das Aroma sicher erreicht werden. Bei starken und älteren Gänsen empfiehlt Kujawski eine Lagerdauer von bis zu 10 Tagen. Bei allen Wildarten nimmt jedoch mit zunehmender Reifedauer die Haltbarkeit des Fleisches unter üblichen Kühlbedingungen immer weiter ab, die mikrobiellen Risiken des Verderbs steigen an. Diese Mechanismen werden erst durch ein Tieffrieren des Fleisches beendet. Ein Verpacken unter Luftausschluss (Vakuumieren) vermag dies nicht, da die enzymatischen Prozesse nicht auf äußere Sauerstoffzufuhr angewiesen sind, und mikrobielle Fäulnis durch anaerobe Bakterien auch unter Luftausschluss vonstatten gehen!
Entscheidend für das Gelingen einer optimalen Fleischreifung sind daher sauberes Erlegen mit bestmöglichem Entbluten und hygienischem Versorgen unter Vermeidung von Kontamination mit den überall in der Umwelt, insbesondere an Bodenmaterial, Pflanzenteilen etc. vorhandenen Bakterien sowie eine konstant kühle, rundum frei hängende Lagerung bei guter Belüftung. Empfohlen werden Temperaturen von 2° bis maximal 5° Ceslius, weil in diesem Bereich die Vermehrung der meisten in der Praxis nie vollständig auszuschließenden Keime auf ein Minimum reduziert ist. Allerdings sollten frisch erlegte, noch warme Wildkörper diesen Temperaturen wegen des sonst drohenden Kälteschocks nicht vor einem Anlaufen der Totenstarre ausgesetzt werden. Tiefere Temperaturen etwa von 0° Celsius erfordern für gleiche Reifungseffekte eine längere Lagerungsdauer. Der genannte Temperaturbereich gilt daher als optimaler Kompromiss unter ökonomischen und hygienischen Aspekten. Ein “Abhängen” unter den genannten Bedingungen sollte bei Großwild dann noch mindestens ein bis zwei Tage über die vollständige Auflösung der Totenstarre hinaus andauern, kann unter günstigen Ausgangsbedingungen aber deutlich ausgeweitet werden. Neben dem genannten sauberen Erlegen (=schneller Todeseintritt) und unverzüglichen hygienischen Versorgen ist für die Gesamtdauer und das Ergebnis der Stoffwechselzustand des Tieres entscheidend. Je voller die Glykogenspeicher in der Muskulatur bei Todeseintritt sind, desto länger dauert bereits die Glykolyse und damit der Eintritt der vollständigen Totenstarre an, das Fleisch “säuert” besser. Je später aber die Totenstarre vollständig eingetreten ist, desto länger dauert es insgesamt auch bis zu ihrer vollständigen Auflösung. Aus den dargestellten Zusammenhängen ergibt sich die Verzichtbarkeit der Fleischreifung bei Stücken, deren Fleisch vollständig zum Verwursten vorgesehen ist.
Nach anschließendem Zerlegen sorgsam verpacktes oder einvakuumiertes Wildbret von Schwarzwild, Kleinwild und Federwild kann dann problemlos für sechs Monate, bei den übrigen Großwildarten für 12 Monate bei Temperaturen von mindestens -18° Ceslsius tiefgefroren aufbewahrt werden. Eine Abgabe tiefgefrorenen Wildes mit entsprechender Kennzeichnung und diesbezüglicher Angabe von Lagertemperatur und Mindesthaltbarkeit an den Endverbraucher ist rechtskonform.